Donnerstag, 31. Dezember 2009

Die Ein-Mann-Revolution

Pól Mac Adaim singt auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz

Ein Paar Füße wippen immer mit. Das hier wird keine Spaßgesellschaft, sondern ein politisches Konzert – von Pól Mac Adaim am 9. Januar auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz. Pól Mac Adaim singt ja leicht entrückt, ist aber dabei sehr klar und bestimmt. Man könnte auch sagen: um sich einzumischen, nimmt er sich zurück.

Erstmal aus der ganzen Folkgeschichte, dem Klampfen, Klopfen und Kippeln. Die historisch begrenzten musikalischen Mittel des Singer/Songwriters muß man nicht mit einem Bart kompensieren (Mac Adaim hat keinen) oder mit der E-Gitarre (Mac Adaim spielt Akustik), geschweige denn mit Gesangsgejodel (Mac Adaim singt geradeaus). Aber was heißt schon konservativ? Heute ist doch Indie der neue Folk und der alte Folk dessen Antaganonismus. Vorsichtshalber kann Mac Adaim auch Mandoline, Flöte, Baß und Banjo.

Und dann aus den irischen Klischees, dem Saufen, dem Tanzen und dem Bomben. So lustig ist das gar nicht. Wie es in dem berühmten Gedicht von Sharon Meenan und Killian Mullan, den zwei Jugendlichen aus Derry, heißt: »Ich erinnere mich an die Lügen. / Und ich war nicht mal geboren.« Pól Mac Adaim wurde in Belfast geboren. Er ist 38 Jahre alt und singt »die Internationale« auf englisch und auf irisch. Mac Adaim wuchs in den nordirischen »Troubles« auf, manche nennen ihn einen Ein-Mann-Umsturz. Auch wenn er für den linken Flügel der Republikaner ist. Oder vielleicht gerade deshalb. Das bedeutet auch, Schluß zu machen mit dem religiösen Wahnsinn als struktueller Gewalt. Dafür ist man doch Sozialist. Mac Adaim arrangierte die Musik für den Film »Die umbarmherzigen Schwestern« (The Magdalene Sisters) von Peter Mullan (2002), der davon handelt, wie Nonnen ausgestoßene Frauen im Kloster fertigmachen. In den angeblich goldenen sechziger Jahren. In Venedig bekam der Film den goldenen Löwen.

Von den Sechzigern nimmt sich Mac Adaim nur das, was er braucht. Er singt in Richtung Nick Drake, Phil Ochs oder Syd Barrett. Er selber nennt als Einflüsse aber Woody Guthrie, Bob Dylan und Pete Seeger. Es gibt auch Leute, die sagen, er klinge und spiele wie Christy Moore, der große Agit-Folk-Politiker aus den Siebzigern, dem Gründer der Gruppe Planxty. Mac Adaim aber geht es um die Gegenwart. Auf seiner Platte »Forsaken Land« mixte er den Spanischen Bürgerkrieg mit dem Dubliner Osteraufstand von 1916 und dem Elend in Palästina.

Pól Mac Adaim macht zeitgenössische Musik im intelligentesten Sinn. Einige werden mitwippen. Und einige werden die Revolution machen.

9.1., 21 Uhr, Konzert der Rosa-Luxemburg-Konferenz, Loft der Urania, Berlin

aus: Junge Welt, 30.12.2009 / Feuilleton / Seite 12

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