Neuerlich Attentate in Nordirland
DIE vergangenen Wochen sahen eine neuerliche Zunahme der Aktivitäten militanter republikanischer Gruppen in Nord-Irland. In der Nacht von 30. auf 31. Dezember wurde eine 380kg schwere Autobombe nahe der Stadt Newry entschärft. Die Hauptverkehrsroute zwischen Dublin und Belfast war stundenlang unpassierbar.
Zur selben Zeit wurden auf die Polizeistation in Crossmaglen, Co. Armagh, Schüsse abgefeuert. Verletzt wurde dabei niemand. Das Gebiet Süd-Armagh gilt als eines der Zentren der Aktivität der Continuity IRA. Diese militante republikanische Organisation bekannte sich im letzten Monat zu drei Schussattentaten in West-Belfast.
Ende November gab es zeitgleich einen versuchten Anschlag mit einer 100kg Autobombe in Nordbelfast und einem Schussattentat auf einen Polizisten in County Fermanagh.
Als Reaktion auf diese Attentate kündigte der britische Polizeichef Matt Baggott bis Frühjahr 2010 600 weitere RUC-Beamte auf die Straßen Nordirlands zu bringen. Er begründete dies damit, dass die Zahl der militanten Republikanerinnen und Republikaner in den letzten Monaten um das dreifache gestiegen sei. 300 Personen seien derzeit unter permanenter Beobachtung des britischen Geheimdienstes in Irland.
Die Tageszeitung Belfast Telegraph sprach nach den Attentaten mit einem britischen Beamten der Kolonialpolizei RUC. Sein Einsatzgebiet sei der Raum Belfast, aus Sicherheitsgründen wolle er aber anonym bleiben.
Zur derzeitigen Situation im Norden Irlands erklärte er: „Das ist nicht, wofür ich Polizist geworden bin. Ich bin Mitglied der PSNI (offizieller Name der britischen Kolonialpolizei in Irland, Anm. IRC) geworden, als es relativ ruhig und friedlich war. Ich wollte der Öffentlichkeit dienen – so gut ich dies eben kann. Aber ich habe mich nicht [als Polizist] einschreiben lassen für das, was wir jetzt haben.“
„Wann immer ein Anruf kommt und du hinaus zu einem Einsatz musst, denkst du dir: ‚Das könnte er gewesen sein, das könnte der Anruf gewesen sein.’“
Er berichtete weiter, dass er nie Polizist geworden wäre, hätte er gedacht, dass sich die Situation derart entwickeln würde. Mit der Unterzeichnung des Karfreitagsabkommens 1998 dachte er, in Irland sei nun Friede eingekehrt und so schloss er sich der Kolonialpolizei ein. Hätte er gewusst, dass die Republikanische Bewegung wieder diese Stärke und Bedrohung für die britischen Beamten in Irland erreichen werde, wäre er nicht Polizist geworden.
„Die permanente Bedrohung und Angst hört nicht auf, wenn dein Dienst zu Ende ist. Bevor du zur Arbeit fährst, musst du deinen Wagen und die Umgebung deines Hauses kontrollieren und dir sicher sein, dass keine Gefahr besteht. Wenn du zu oder von der Arbeit fährst, sitzt du nicht einfach im Auto. Die stehst ständig unter Spannung, die blickst nervös in alle Richtungen, schaust ob dich jemand verfolgt.“
Täglich werden er, seine Kolleginnen und Kollegen in Sitzungen über die Aktivitäten der Republikanerinnen und Republikaner in ihrer Gegend informiert. Beamte werden informiert, wenn sie beobachtet werden und die Gefahr eines Attentates besteht.
Im Jahr 2009 mussten über 20 Polizisten ihr Wohnhaus verlassen und an geheime Orte gebracht werden, da ihr Leben bedroht gewesen ist. Der Direktor des Hochsicherheitsgefängnisses von Maghaberry musste nach nur fünf Monaten seinen Dienst quittieren, da er von der republikanischen Organisation Real IRA Drohungen erhielt. Drei Bomben wurden vor seinem Haus nahe Belfast entschärft. Seine Familie zog aus Angst zurück nach England, er selbst lebte wochenlang versteckt im Hotel.
„Ich selbst kenne zwei Beamte, die in den letzten vier Wochen ihr Haus verlassen mussten. Du bist zu Hause und plötzlich kommt die [britische] Armee. Dein Haus wird leer geräumt und du und deine Familie werden an einen sicheren Ort gebracht.“
Im März wurden zwei britische Soldaten von der Real IRA und ein britischer Polizist von der Continuity IRA erschossen. „In den letzten Wochen war es einfach nur Glück, dass nicht mehr Polizisten starben. Ich habe da gar keine Zweifel, es werden weitere Polizisten sterben.“
Polizisten nehmen aufgrund der Bedrohungen ihre Waffen nun mit nach Hause. „Wir wollen nicht in die Arbeit gehen und erschossen werden. Wir wollen nicht nach Hause gehen und erschossen werden. Das alles lässt dich nicht mehr in Ruhe, es beeinflusst dein ganzes Leben.“
Er berichtete, man könne sich nicht mehr frei bewegen, er müsse ständig überlegen, wohin er gehen könne: „Ständig blickst du über deine Schulter und schaust, wer sich hinter dir befindet. Wenn du in ein Restaurant gehst, ist das erste, wenn du es betrittst, dass du schaust, wer noch da ist und wo der Notausgang ist. Ständig blickst du im Raum herum und überlegst, wie der schnellste Weg zum Ausgang ist. Du kannst das Leben nicht mehr genießen.“
„Doch nicht jedes Gebiet ist gleich. Es gibt gefährlichere und weniger gefährlichere Gegenden“, erklärt der Polizist weiter. „Noch vor 18 oder 19 Monaten wärst du bei einem Anruf einfach hinausgegangen und hättest geschaut, was los ist. Nun dauert es länger. Du musst bei Notrufen zunächst gewisse Dinge prüfen. Mehr Beamte müssen nun zu Einsätzen fahren als damals. Man fährt nicht mehr alleine. Die Zeit, die es nun dauert, zum Einsatzort zu gelangen hat, sich um vieles verlängert.“
„Die Moral unter den Polizisten ist am Boden. Bei jedem Einsatz gehst du hinaus und denkst dir: ‚Das könnte er sein. Das könnte dein letzter Einsatz sein.’“
Er berichtete, dass immer mehr britische Polizeibeamte in den Krankenstand gehen, da sie den psychischen Stress nicht mehr aushalten.
Als Reaktion auf die Aktivitäten militanter republikanischer Organisationen ordnete der britische Polizeichef in Irland Matt Baggott an, 600 weitere Polizeibeamte auf die Straßen des besetzten Irland zu bringen.
Zudem ist die britische Armee wieder aktiv in Irland. Bei Verhinderung eines Attentatversuchs in der Kleinstadt Garrison Ende November war eine geheime Spezialeinheit der britischen Armee aktiv. Diese Einheit, die den Namen Special Reconnaissance Regiment (SRR) trägt, operiert völlig klandestin und war in den 1980er Jahren an der Exekution von dutzenden irischen Nationalisten beteiligt. Bereits im Februar 2009 wurden Mitglieder dieser Einheit abermals nach Irland verlegt.
Weiters berichtete der irische Fernsehsender RTÉ, dass bei der Entschärfung der Autobombe letzten Mittwoch mehrere Mitglieder der britischen Armee beteiligt waren.
Irish Republican Correspondent, 1ú Mhi na Eanáir 2009
DIE vergangenen Wochen sahen eine neuerliche Zunahme der Aktivitäten militanter republikanischer Gruppen in Nord-Irland. In der Nacht von 30. auf 31. Dezember wurde eine 380kg schwere Autobombe nahe der Stadt Newry entschärft. Die Hauptverkehrsroute zwischen Dublin und Belfast war stundenlang unpassierbar.
Zur selben Zeit wurden auf die Polizeistation in Crossmaglen, Co. Armagh, Schüsse abgefeuert. Verletzt wurde dabei niemand. Das Gebiet Süd-Armagh gilt als eines der Zentren der Aktivität der Continuity IRA. Diese militante republikanische Organisation bekannte sich im letzten Monat zu drei Schussattentaten in West-Belfast.
Ende November gab es zeitgleich einen versuchten Anschlag mit einer 100kg Autobombe in Nordbelfast und einem Schussattentat auf einen Polizisten in County Fermanagh.
Als Reaktion auf diese Attentate kündigte der britische Polizeichef Matt Baggott bis Frühjahr 2010 600 weitere RUC-Beamte auf die Straßen Nordirlands zu bringen. Er begründete dies damit, dass die Zahl der militanten Republikanerinnen und Republikaner in den letzten Monaten um das dreifache gestiegen sei. 300 Personen seien derzeit unter permanenter Beobachtung des britischen Geheimdienstes in Irland.
Die Tageszeitung Belfast Telegraph sprach nach den Attentaten mit einem britischen Beamten der Kolonialpolizei RUC. Sein Einsatzgebiet sei der Raum Belfast, aus Sicherheitsgründen wolle er aber anonym bleiben.
Zur derzeitigen Situation im Norden Irlands erklärte er: „Das ist nicht, wofür ich Polizist geworden bin. Ich bin Mitglied der PSNI (offizieller Name der britischen Kolonialpolizei in Irland, Anm. IRC) geworden, als es relativ ruhig und friedlich war. Ich wollte der Öffentlichkeit dienen – so gut ich dies eben kann. Aber ich habe mich nicht [als Polizist] einschreiben lassen für das, was wir jetzt haben.“
„Wann immer ein Anruf kommt und du hinaus zu einem Einsatz musst, denkst du dir: ‚Das könnte er gewesen sein, das könnte der Anruf gewesen sein.’“
Er berichtete weiter, dass er nie Polizist geworden wäre, hätte er gedacht, dass sich die Situation derart entwickeln würde. Mit der Unterzeichnung des Karfreitagsabkommens 1998 dachte er, in Irland sei nun Friede eingekehrt und so schloss er sich der Kolonialpolizei ein. Hätte er gewusst, dass die Republikanische Bewegung wieder diese Stärke und Bedrohung für die britischen Beamten in Irland erreichen werde, wäre er nicht Polizist geworden.
„Die permanente Bedrohung und Angst hört nicht auf, wenn dein Dienst zu Ende ist. Bevor du zur Arbeit fährst, musst du deinen Wagen und die Umgebung deines Hauses kontrollieren und dir sicher sein, dass keine Gefahr besteht. Wenn du zu oder von der Arbeit fährst, sitzt du nicht einfach im Auto. Die stehst ständig unter Spannung, die blickst nervös in alle Richtungen, schaust ob dich jemand verfolgt.“
Täglich werden er, seine Kolleginnen und Kollegen in Sitzungen über die Aktivitäten der Republikanerinnen und Republikaner in ihrer Gegend informiert. Beamte werden informiert, wenn sie beobachtet werden und die Gefahr eines Attentates besteht.
Im Jahr 2009 mussten über 20 Polizisten ihr Wohnhaus verlassen und an geheime Orte gebracht werden, da ihr Leben bedroht gewesen ist. Der Direktor des Hochsicherheitsgefängnisses von Maghaberry musste nach nur fünf Monaten seinen Dienst quittieren, da er von der republikanischen Organisation Real IRA Drohungen erhielt. Drei Bomben wurden vor seinem Haus nahe Belfast entschärft. Seine Familie zog aus Angst zurück nach England, er selbst lebte wochenlang versteckt im Hotel.
„Ich selbst kenne zwei Beamte, die in den letzten vier Wochen ihr Haus verlassen mussten. Du bist zu Hause und plötzlich kommt die [britische] Armee. Dein Haus wird leer geräumt und du und deine Familie werden an einen sicheren Ort gebracht.“
Im März wurden zwei britische Soldaten von der Real IRA und ein britischer Polizist von der Continuity IRA erschossen. „In den letzten Wochen war es einfach nur Glück, dass nicht mehr Polizisten starben. Ich habe da gar keine Zweifel, es werden weitere Polizisten sterben.“
Polizisten nehmen aufgrund der Bedrohungen ihre Waffen nun mit nach Hause. „Wir wollen nicht in die Arbeit gehen und erschossen werden. Wir wollen nicht nach Hause gehen und erschossen werden. Das alles lässt dich nicht mehr in Ruhe, es beeinflusst dein ganzes Leben.“
Er berichtete, man könne sich nicht mehr frei bewegen, er müsse ständig überlegen, wohin er gehen könne: „Ständig blickst du über deine Schulter und schaust, wer sich hinter dir befindet. Wenn du in ein Restaurant gehst, ist das erste, wenn du es betrittst, dass du schaust, wer noch da ist und wo der Notausgang ist. Ständig blickst du im Raum herum und überlegst, wie der schnellste Weg zum Ausgang ist. Du kannst das Leben nicht mehr genießen.“
„Doch nicht jedes Gebiet ist gleich. Es gibt gefährlichere und weniger gefährlichere Gegenden“, erklärt der Polizist weiter. „Noch vor 18 oder 19 Monaten wärst du bei einem Anruf einfach hinausgegangen und hättest geschaut, was los ist. Nun dauert es länger. Du musst bei Notrufen zunächst gewisse Dinge prüfen. Mehr Beamte müssen nun zu Einsätzen fahren als damals. Man fährt nicht mehr alleine. Die Zeit, die es nun dauert, zum Einsatzort zu gelangen hat, sich um vieles verlängert.“
„Die Moral unter den Polizisten ist am Boden. Bei jedem Einsatz gehst du hinaus und denkst dir: ‚Das könnte er sein. Das könnte dein letzter Einsatz sein.’“
Er berichtete, dass immer mehr britische Polizeibeamte in den Krankenstand gehen, da sie den psychischen Stress nicht mehr aushalten.
Als Reaktion auf die Aktivitäten militanter republikanischer Organisationen ordnete der britische Polizeichef in Irland Matt Baggott an, 600 weitere Polizeibeamte auf die Straßen des besetzten Irland zu bringen.
Zudem ist die britische Armee wieder aktiv in Irland. Bei Verhinderung eines Attentatversuchs in der Kleinstadt Garrison Ende November war eine geheime Spezialeinheit der britischen Armee aktiv. Diese Einheit, die den Namen Special Reconnaissance Regiment (SRR) trägt, operiert völlig klandestin und war in den 1980er Jahren an der Exekution von dutzenden irischen Nationalisten beteiligt. Bereits im Februar 2009 wurden Mitglieder dieser Einheit abermals nach Irland verlegt.
Weiters berichtete der irische Fernsehsender RTÉ, dass bei der Entschärfung der Autobombe letzten Mittwoch mehrere Mitglieder der britischen Armee beteiligt waren.
Irish Republican Correspondent, 1ú Mhi na Eanáir 2009
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